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Prof. Elmar Kopp schuf für die Rettung

1957 gestaltete Elmar Kopp innerhalb von drei Tagen für das ehemalige Rettungsheim in Seefeld eine Wandmalerei, dessen Thema – die Barmherzigkeit – nicht nur in diesen Tagen von größter Wichtigkeit ist. 2020, am 5. März, ist Prof. Elmar Kopp, akademischer Maler und Bilderhauer in Imst, gestorben. Am 2. April 2020 hätte der vielseitige Künstler seinen 91. Geburtstag gefeiert.
Das wichtigste Gebot. Die Quelle für diese Wandmalerei war die Beispielserzählung vom barmherzigen Samariter bei Lukas 10,25 – 37: Sie beginnt mit der Frage nach dem wichtigsten Gebot, die mit „Gottes- und Nächstenliebe“ beantwortet wird. Und zwar in Form von Taten. Jesus erzählt dann: Ein Mann wurde auf dem Weg von Jerusalem hinab nach Jericho von Räubern überfallen, halb tot liegengelassen. Fromme Menschen, ein Priester und ein Levit, gingen am Verletzten vorbei. Ein Samariter jedoch kam dem Überfallenen ohne zu zögern zu Hilfe: Er versorgte dessen Wunden. Dann transportierte der Samariter den Unglücklichen auf einem Reittier zu einer Herberge. Dort gab er Anweisungen für die weitere Versorgung und übernahm die Kosten dafür.
Samariter 1957. Wie hat nun Elmar Kopp 1957 diese Beispielserzählung visualisiert? Als Ereignisort gestaltete er eine Landschaft, die aus Farbvarianten von Blau, Ocker und Grün gebaut ist. Auch weiße Elemente sind vorhanden, wie etwa die Wolken am blauen Himmel.
Die untere Hälfte der Malerei wird von einem liegenden männlichen Akt in Draufsicht bestimmt, dem sich ein gesattelter Esel zuwendet. Aber nicht nur das Tragetier kümmert sich um den ausgestreckt, „halb tot“ Daliegenden: Sein Haupt ruht auf dem Oberköper des hinter ihm knienden Samariters. Weiß leuchtet ein Streifen zwischen dessen Händen. Man versteht, dass es sich dabei um einen Stoffverband handelt, mit dem der Helfende konzentriert im Begriff ist, den Kopf des Überfallenen zu umwinden. Unter dem auch seiner Kleider Beraubten ist eine blaue Fläche erkennbar, die wohl für ein Textil steht, das der Samariter aufgebreitet hat, um ein möglichst schmerzfreies Liegen zu ermöglichen.
Zurzeit Jesu wurden Samariter – diese lehnten den Tempelkult in Jerusalem ab – von den Juden zwar als religiöse Verwandte betrachtet, jedoch auch als Feinde angesehen und zutiefst verachtet.
Senza pietà. Fromm, aber unbarmherzig. Die obere Bildhälfte ist stärker von der aus linear begrenzten Farbflächen gebildeten Landschaft bestimmt. Diese kommt ohne Details aus. Jedoch ist ein Weg, einer hellen Bahn gleich, klar erkennbar. Er wird von zwei Figuren belebt: Eine männliche Gestalt in Rückenansicht („ein Levit“; Leviten waren allein zum Tempeldienst für alle Israeliten erwählt.) – direkt in einer Linie über dem Haupt des Verletzten – geht ihren Weg. Weiter entfernt vom Überfallenen eine zweite, im Maßstab daher nochmals kleinere Figur. Es handelt sich dabei um den bei Lukas erwähnten Priester („Er sah“ den Verletzten „und ging weiter.“). An der Position des Priesters verengt sich der Weg durch zwei hinaufragende Farbwände: Der „öde“ Weg nach Jerusalem stellt so einen Einschnitt in eine oben begrünte Hochebene dar.
Pietà. Barmherzigkeit. Der Helfer und die Achtlosen sind der Entstehungszeit des Wandgemäldes entsprechend gekleidet. Damit aktualisierte Elmar Kopp die Erzählung. Auch die Landschaft ließ er geographisch unbestimmt. Der Verletzte allerdings ist spärlich mit einem Textil bedeckt, das an ein antikisierendes Lendentuch denken lässt. Damit und durch die Anlage des Körpers des Überfallenen wird der christliche Betrachter an Darstellungen des vom Kreuz abgenommenen Christus erinnert, der von seiner Mutter Maria beweint wird. Derartige künstlerische Werke werden als „Pietà“ bezeichnet. „Pietà“ steht für Barmherzigkeit, Zuneigung. Das Thema des Abschiedes von Maria vom Gottessohn hatte Elmar Kopp 1956 in der Michaelskirche in Imst realisiert. Allerdings: Dort betrauert Maria ihren zu Tod gemarterten Sohn. Die Wandmalerei in Seefeld zeigt hingegen den Samariter als aktiv tätigen Helfer, der das Leben des überfallenen Mannes retten will.
Barmherzigkeit am Rettungsheim. Barmherzigkeit kann als Einstellung gegenüber dem Nächsten definiert werden. Sie ist nicht nur eine innere Betroffenheit (wie etwa das Mitleid), sondern ereignet sich im aktiven Tun, ist also tätige Nächstenliebe. Wenn die Barmherzigkeit auch zu den christlichen Haupttugenden zählt, ist sie keine „natürliche“ Eigenschaft des Menschen. Daher waren und sind der aktiven Nächstenliebe gewidmete künstlerische Darstellungen als Impuls bedeutsam.
Die Darstellung des barmherzigen Samariters an der Fassade des Seefelder Rettungsheims kann daher als Appell an die hier Ein- und Ausgehenden verstanden werden. Denn die freiwilligen Retter sollen dem Beispiel des Samariters nacheifern. Deshalb will das Bild – so weit möglich – die Einstellung „Barmherzigkeit“ auslösen, also das Gemüt des Betrachters erreichen. Es bietet gleichzeitig den beim Roten Kreuz Engagierten eine Identifikationsmöglichkeit: Zeigt die Malerei doch eine konkrete, „klassische“ Aufgabe des Roten Kreuzes: Die Wundversorgung vor Ort. Eine weitere wird durch das Tragetier angedeutet: Der Krankentransport. „Kranke pflegen“, also auch Verletzte versorgen, zählt auch zu den sieben leiblichen Werken der Barmherzigkeit im christlichen Sinn.
Der Tiroler Samariterbund vom Roten Kreuz. Ernst Pavelka, Archivar der Rettung Innsbruck, erzählte dem Verfasser: „Von der biblischen Perikope herkommend, handelt es sich bei ‚Samariter‘ auch um eine altertümliche, wahrscheinlich schon in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts geläufige, in der Nachkriegszeit verschwindende Bezeichnung für den Sanitäter oder auch den Ersthelfer. Der Samariter ist der, der unbeschadet gesellschaftlicher Grenzen von Stand, Kultur, Religion oder Nation dem Verunglückten hilft, weil er ihm zum Nächsten geworden ist. Historische Dachorganisationen für das Rettungswesen, wie der ‚Deutsch-tirolische Samariterbund‘ – gegründet 1912, später als ‚Tiroler Samariterbund vom Roten Kreuz‘ bezeichnet – oder der 1913 organisierte ‚Österreichische Samariterreichsverband‘ trugen den Begriff im Namen. In ‚Arbeiter-Samariter-Bund‘ hat er sich bis heute erhalten.“
Elmar Kopp, Imst-Wien-Seefeld. 1957, als Elmar Kopp sich für die Freiwillige Rettung in Seefeld mit der Darstellung des barmherzigen Samariters malerisch auseinandersetzte, war er 28 Jahre alt. Geboren am 2. April 1929 in Imst, hatte er 1949 Schreckliches erlebt: Bei einem Arbeitsunfall am Bauernhof seiner Mutter in Arzl im Pitztal wurde seine rechte Hand abgetrennt – und Elmar Kopp war auf Rettung, Barmherzigkeit anderer angewiesen. Doch er erholte sich rasch, auch dank seiner positiven Einstellung zum Leben und ungeheuren Energie. Bereits drei Tage nach dem Unfall unternahm Elmar Kopp erste Malversuche mit der linken Hand: „Und es ist überraschend gut gegangen.“ 1951 begann er mit dem Studium der Malerei an der Akademie im Wien der Nachkriegszeit. 1954 beendete er dieses erfolgreich mit Diplom, erhielt den Staatspreis für die mit Ölfarben gemalte Abschlussarbeit „Lesendes Mädchen“. 1956 eröffnete Elmar Kopp als akademischer Maler sein Atelier in Imst. Im selben Jahr schuf er die erwähnte „Grablegung“ in der dem Gedenken an die Gefallenen gewidmeten Michaelskirche in Imst. Ein Jahr später, 1957, arbeitete er in Seefeld. Diese beiden Malereien sind als Initialwerke zur bemerkenswerten künstlerischen Laufbahn des Elmar Kopp zu verstehen: Er arbeitete als freischaffender Maler und Bildhauer in Imst, mit einer großen Bandbreite an Techniken. Ab 1960 erhielt er zahlreiche (öffentliche) Aufträge im In- und Ausland. So gestaltete er auch zahlreiche Glasmalereien für den öffentlichen Raum. Lieferte für diesen aber auch immer Malereien und Dreidimensionales. Und bespielte zahlreiche Ausstellungen nicht nur mit seinen Ölbildern. 1982 wurde ihm der Professorentitel verliehen. Dass Elmar Kopp trotz seines Handicaps auch erfolgreich in Stein, Holz und Metall arbeiten konnte, verdankt er seiner ungeheuren Energie, seinem Ideenreichtum und nicht zuletzt „der Kunst zweier Innsbrucker Prothesenbauer.“
Menschlichkeit. Barmherzigkeit. Nichts Menschliches war Elmar Kopp fremd. Die Gespräche, die der Verfasser mit ihm erleben durfte, waren immer tiefgründig, aber auch von feinem Humor getragen. Das Thema „Barmherzigkeit“ hat Elmar Kopp nicht nur künstlerisch immer wieder beschäftigt: Nach der „Grablegung“ (1956) in der Michaelskirche in Imst und dem „Beispiel vom barmherzigen Samariter“ (1957) in Seefeld gestaltete er „Das Tor der Barmherzigkeit“ (1967) für die Pfarrkirche in Brixlegg. Auch die von ihm geschaffene, großformatige Bronzeplastik „Dem Gestürzten, Gestrauchelten helfen“ (1985) vor dem Bezirksgericht in Kitzbühel zeigt eindrücklich das Aufhelfen eines gestürzten Menschen, nicht dessen Verurteilung. Werte, die dem Künstler persönlich wichtig waren.
Nun ist er – nach 70 Jahren künstlerischen Tuns – gestorben: Elmar Kopp, akademischer Maler und Bildhauer in Imst, Tirol. Durch seine vielen Werke im öffentlichen Raum bleibt er jedoch in Tirol präsent. Und seine Findungen vermitteln dem Betrachter weiterhin die wichtigen Gedanken und Einstellungen des Menschen Elmar Kopp.
Dr. Helmuth Oehler, Kunsthistoriker, Innsbruck

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