Start Allgemein Das Hexenhäusl – bald nur noch Geschichte

Das Hexenhäusl – bald nur noch Geschichte

Das Gebäude am Aufgang zur Kirchwaldsiedlung fällt einfach auf mit seinem kleinen Glockenturm, der Sonnenuhr und dem einzigartigen Dachstuhl und den blauen Balkonen. Zugegebenermaßen fällt es seit Jahren auch durch seinen baulichen Zustand auf.
Wenige Häuser in Seefeld können auf eine solche wechselvolle Geschichte verweisen, wie das Hexenhäusl, welches kurz vor dem Abbruch steht. Leider konnte nicht erforscht werden, ob Marie v. Witte, die Tochter des russ. Ministerpräsidenten Sergje Juljewitsch Witte war, welcher während der Revolution in Russland 1905 eine entscheidende Rolle spielte und als einer der größten liberalen Reformer Russlands angesehen wird. Er verfasste das Oktobermanifest, welches das bürgerliche Freiheitsrecht einführte.
Warum Marie von Witte sich in dieser Zeit in Seefeld ansiedelte, ist dem Chronistenteam nicht bekannt. Sie errichtete sich jedenfalls eine beinahe herrschaftliche Villa, welche sie schon ungefähr zehn Jahre später zur Erholung für Soldaten zur Verfügung stellte – siehe Zeitungsartikel. Immer wieder wird in alten Zeitungsartikeln – welche hier zitiert werden – auf die Schönheit der Villa Hexenhäusl hingewiesen.
Die weitere Geschichte wurde von der Gemeinde Seefeld im Jahre 1980 zu erforschen versucht. Es stand damals bereits ein Abbruch zur Debatte (3.6.1980): „Aufgrund der damaligen Anfrage wurden Erhebungen bei Gemeindebewohnern durchgeführt, welche den Werdegang des Hexenhäusls in Seefeld noch in Erinnerung haben. Demnach steht fest, dass dieses Gebäude aus einem ehemaligen Bauernhaus, welches Ende des 18. Jahrhunderts errichtet worden war, entstanden ist. Anfang des 20. Jahrhunderts wurde dieses Bauernhaus von einer russischen und rumänischen Staatsbürgerin erworben und zwischen den Jahren 1902 und 1907 auf die heutige Form umgebaut. In der Folge wurde das Haus von diesen Personen bis zu ihrem Ableben bewohnt, ging im Erbwege an deren Wirtschafterin, welche das Gebäude schließlich weiter veräußerte.“
Zitate aus verschiedenen Zeitungen:
Eine schöne Tat. Aus Seefeld schreibt man uns: In diesen Tagen stellte Frl. Marie v. Witte, die Tochter des szt. russischen Ministerpräsidenten Grafen Witte, Herrn Dr. Liebl in Seefeld ihr schönes Landhaus zwecks Unterbringung verwundeter und erholungsbedürftiger Krieger zur Verfügung. Das „Hexenhäusl“ repräsentiert sich als ein wahres Schmuckkästchen, besitzt eine große Bibliothek mit einem schönen, gotischen Lesezimmer, einen prächtigen Musiksaal mit wertvollem Flügel. Die anheimelnden Zimmer, Bäder mit elektrischem Licht, Zentralheizung schaffen denen alle Bequemlichkeiten, welche lange genug solche entbehren mussten (Allgemeiner Tiroler Anzeiger – 10. Oktober 1914).
Ein Tuskulum (Anm. ruhiger, behaglicher Wohnsitz), das „Hexenhäusl“, birgt eine hochwertige Sammlung seltener Kunstwerke aus allen Ländern Europas. Im Verlaufe des Krieges sind diverse Schätze, antiquarische Kleinkunst, Bücher, alles auserlesene Werke, teure Pelzgarnituren und Teppiche, Keramiken und andere wertvolle Gegenstände aus Kästen und Truhen, die über behördlichen Auftrag geschlossen und versiegelt gewesen waren – verschwunden. Wohin? Die Bücher fanden im Offiziersspital Liebhaber. Sie sind in alle Winde. Den kunstsinnigen russischen Damen Witte und Mattlekamp, welche hier mit jedem Tag erwartet werden, da sie bereits um die Einreise- und Aufenthaltserlaubnis angesucht haben, wird der Verlust dieser unersetzlichen Kunstwerte sicher sehr schmerzen. Ihr Landhaus finden sie in größter Unordnung, das wertvolle Inventar liegt kunterbunt in den Zimmern herum. (Allgemeiner Tiroler Anzeiger – 14. August 1919)
In Salzburg wird gegenwärtig über eine neue Skandalaffäre gesprochen, bei der aber allem Anscheine nach das Verschulden, wenn ein solches überhaupt vorliegt, viel geringer ist, als man nach den umlaufenden Gerüchten annehmen sollte.
Die russische Gräfin Mary von Witte hat bei Kriegsausbruch ihre Villa in Seefeld bei Innsbruck dem Roten Kreuze zur Verfügung gestellt. Sie ließ ihre äußerst wertvollen Einrichtungsgegenstände in ein paar Räumen der Villa verpacken und sperrte diese Räume ab.
(Salzburger Blätter – 23. 9.1919, Ganzer Artikel und weitere nachzulesen im Chronik-Jahrbuch 2019)
Nach dem ersten Weltkrieg wurde die Villa Hexenhäusl als Privatpension von der Eigentümerin geführt, sie suchte bei der Gemeinde um die Erteilung der Konzession in eine Privatpension an, welche ihr bei der Gemeinderatssitzung am 8.1.1925 genehmigt wurde.
Im Juni 1932 wurde von der Gemeinde der Konzessionsübertragung von Fräulein Witte auf Georg Schurer zugestimmt.
Georg Schurer beschwerte sich bereits 1929 in einem Brief an die Gemeinde Seefeld in bemerkenswerter Weise über den Lärm vom nahegelegenen Schießstand. Er schreibt: „Ich teile Ihnen mit, dass heute fünf Holländer, eine Deutsche, vorgestern zwei Personen (Oberpostpräsident aus Sachsen) abgereist sind, da sie einheitlich sagen, die Ruhe in der Großstadt sei großer, als das Trommelfeuer in Seefeld. Ich möchte dabei den löbl. Gemeinderat darauf aufmerksam machen, dass Äußerungen seitens meiner Gäste, und auch Gästen aus anderen Häusern, mir zu Ohren gekommen sind, dass die Zustände in führenden Zeitungen besprochen werden“.
Im Hexenhäusl wurden sicher noch bis und während des zweiten Weltkrieges Gäste untergebracht. Es gibt eine Meldung vom 7.2.1938 über einen besonderen Gast – Prinzessin Vittoria zu Bendheim.
Einen Hinweis auf Gästevermietung erschien vor ein paar Jahren in der Kronenzeitung mit beigefügtem Foto. Einsenderin Viktoria Liensberger wohnte von 1943 bis 1945 mit ihrer Mutter und vier Schwestern im Hexenhäusl und bemerkte dazu: „Der ehemalige Tiergartendirektor Helmut Pechlaner wohnte ebenfalls dort und war unser Spielkamerad!“
Wie es nach dem Krieg mit den Besitzverhältnissen weiterging, muss von der Chronik Seefeld erst noch erhoben werden. Aktuell ist das Hexenhäusl im Besitz eines Niederländers.
Christine Bloch

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